Die Region versteht, wie es geht!
Stabwechsel und ein gemeinsamer Blick auf das, was Stärke gibt.
Interview mit Heinz Steingröver und Dr. Marc Schrameyer
Ein Oktobermorgen in der Maschinenhalle auf der Schachtanlage von Oeynhausen. Der Ort ist wie geschaffen für ein Interview mit Heinz Steingröver und Dr. Marc Schrameyer – der eine scheidender Ibbenbürener Bürgermeister, der andere im Begriff, das Amt neu anzutreten. Es klingelt, es zischt, schwere Stahlseile bewegen sich auf einer überdimensionalen Rolle: Die Zwillings-Dampffördermaschine ist ständig in Aktion. Bergbau pur.
Was war Ihre allererste persönliche Begegnung mit dem Bergbau in Ibbenbüren?
Heinz Steingröver: Das war eine Begegnung mit Nachbarn, die im Bergbau arbeiteten und die davon erzählten. Ich war damals ziemlich klein, sechs, sieben Jahre alt. Mir ist damals auch aufgefallen, dass einer von diesen Nachbarn einen rasselnden Atem hatte, weil er eine Steinstaublunge hatte.
Dr. Marc Schrameyer: Der Bergbau gehörte bei uns zur Familie. Mein Vater war hier auf der Schachtanlage tätig, mein Großvater war hier. Das erste Mal so richtig wahrgenommen habe ich den Bergbau, als 1981 das Grubenunglück war. Mein Vater war tagelang nicht zu Hause, weil er in der Grubenwehr und somit im Einsatz war. Das war das Erste, was sich mir richtig eingeprägt hat: Grubenwehralarm, es ging los – und Papa war weg.
Der Bergbau hat die Menschen in der Region in ihrer Identität geprägt, sie tatsächlich unverwechselbar gemacht. Was, glauben Sie, sind hervorstechende Charaktermerkmale der Menschen hier, die uns helfen werden, die Aufgaben der Zukunft zu meistern?
Steingröver: Als Erstes ist zu nennen, dass die Menschen hier sehr realitätsbezogen sind. Und: Sie können anpacken. Beides fällt mir immer wieder auf. Das Dritte ist, dass die Menschen in unserer Region von Solidarität geprägt sind. Das spielt unter Tage eine Rolle, denn dort muss man zusammenarbeiten – aber es durchdringt natürlich auch das übrige Leben. Dies hat die Region und das Lebensgefüge hier positiv geprägt.
Schrameyer: Dass es bislang so gut geklappt hat, zeigt ja, dass diese Region das wirklich kann und dass die Menschen hier das können. Wir kommen von einer Beschäftigtenzahl zwischen 7.000 und 8.000 Mitarbeitern. Nach der Schließung des Westfeldes 1979 hatten wir einen massiven Beschäftigungsrückgang auf der Zeche zu verzeichnen. Wir sind jetzt bei noch knapp 1.600 eigenen Mannschaften. Die Region kann Strukturwandel. Sie versteht, wie es geht. Und das ist etwas, auf das wir bauen können.
Wenn Sie auf das Kohle-Aus 2018 blicken: Was macht Sie optimistisch für die Zukunft?
Steingröver: Mich machen die Fakten optimistisch: Es sind in den letzten Jahrzehnten viele Arbeitsplätze geschaffen worden – und es zeichnet sich ab, dass wir hier nicht mit einem großen Einbruch und mit einer größeren Arbeitslosigkeit zu rechnen haben. Natürlich werden wir das spüren. Aber wir werden damit fertig werden.
Schrameyer: Es fällt keiner ins Bergfreie. Und das ist das Entscheidende für uns und für den Strukturwandel: nicht vor ein Horrorszenario gestellt zu werden, dass plötzlich 1.500, 2.000 Mann arbeitslos sind und die Familien nicht mehr wissen, wovon sie leben sollen. Wir haben stattdessen einen gesicherten Ausstieg aus der Kohleförderung – mit einigen, die sicherlich verbleiben werden, die aber auch über eine sehr hohe Qualifikation verfügen und die der Arbeitsmarkt mit großer Sicherheit aufnehmen wird. Da mache ich mir gar keine Sorgen.
Wir haben auch nicht das Drama, das wir letztendlich schnell etwas Neues schaffen müssen, um aufzufangen. Sondern wir können etwas aufbauen und Neues schaffen, das zusätzlich zu dem kommt, was wir schon geschaffen haben, und das uns dadurch hilft, uns neu zu positionieren. In diesem Zusammenhang bieten uns die zusätzlichen 75 Hektar Gewerbefläche im Regionalplan sowie die Flächen, die wir bereits aufweisen, eine Riesenchance. Damit sind wir gut unterwegs. Wir haben ganz viele Chancen, aus denen wir etwas gewinnen können.